Römerstraßenabschnitte im südlichen Ammerseegebiet
Am südlichen Ende des Ammersees kreuzten sich zur Römerzeit – in Bayern ca. 15 v. Chr. bis 500 n. Chr. – bei Raisting zwei wichtige Verkehrsadern. Zum einen die – östlich parallel zur Via Claudia Augusta – ebenfalls vom Süden nach Norden verlaufende Militär- und Nachschubstraße für Legionäre des römischen Kaiserreichs in die damalige Provinz Raetien von Bozen über Brenner, Partenkirchen und Raisting und sodann westlich am Ammersee vorbei zur Hauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg). Und zum anderen die in West-Ost-Richtung verlaufende Quervoralpenstraße von Bregenz über Kempten, Epfach, Raisting und Gauting nach Salzburg. Die allermeisten Abschnitte dieser Fernstraßen sind weitgehend lokalisiert und gut dokumentiert (Grabungen, archäologische Funde wie Münzen, Wagenbeschläge, Achsnägel, Hufeisen, Fibeln etc.), wohingegen ihr Verlauf im näheren Ammerseegebiet nur in Bruchstücken verfolgt werden kann. So fehlen noch Abschnitte im näheren Ortsbereich von Dießen und Raisting sowie weite Bereiche zwischen Raisting und Utting am Westufer.Die römischen Straßenbauer waren bestrebt, ihre Straßen – wo immer es das Gelände zuließ – schnurgerade zu trassieren. Der Straßenkörper bestand in der Regel aus einem 7 bis 9 m breiten, aber teilweise auch schmälerem Kiesband, das zur Mitte hin leicht aufgewölbt war. Beidseits verliefen parallel zur Straße Gräben aus denen das benötigte Kiesmaterial entnommen worden war. Wo sumpfige Talböden oder Moore durchquert werden mussten (z.B. Ammermoos), wurde der Schotterdamm mit einem Rost aus Balken oder Ästen unterlegt. Heute ist der Verlauf der ehemaligen Römerstraßen in der Regel unter Grasnarben, Acker- und Moorboden gut versteckt oder durch Straßen und Wege überbaut, so dass es meist schwer ist, die römischen Trassen zu erwandern.Die Ammersee-Heimatforscher waren schon immer bestrebt, den genauen Verlauf der Römerstraße in ihrer Region zu ermitteln. So hat bereits in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihr Gründervater Dr. Bruno Schweizer bei der Anlage von Entwässerungsgräben in den Raistinger Filzen den Verlauf im Ammermoos streckenweise aufgespürt.
Der ehemalige Forstamtsrat Hans Döppl aus Raisting hat in seinem Gebiet diese Spuren weiterverfolgt und in Landkarten dokumentiert. Er hat auch für die Heimatfreunde mehrfach Begehungen in den Raistinger Fluren und Wäldern durchgeführt.Nachfolgend sind aus seiner Feder zwei Straßenabschnitte im südlichen Ammerseebereich zur Begehung geschildert und in zwei Kartenausschnitten eingezeichnet. Die Trassen sind ganzjährig gangbar, jedoch ist die beste Zeit das zeitige Frühjahr vor Vegetationsbeginn, da sich dann der Pflanzenwuchs auf der Trasse der Römerstraße und daneben oft noch voneinander unterscheidet.Der Verlauf dieser Straßenabschnitte mit Erläuterungen ist auch im Internet auf einer Webseite von Google Maps dargestellt (siehe unter Link…).
1. Verlauf der Römerstraße von Bregenz nach Salzburg im Bereich des Staatsforstes Bayerdießen zwischen Schellschwang und Stillern.
Dieser Teil der West-Ost-Querverbindung im Voralpengebiet überquert von Kempten kommend bei Epfach die von Süden nach Norden führende Via Claudia Augusta und verläuft dann weiter über Raisting Richtung Gauting. Sie dürfte vermutlich bereits in der Zeit 15 v. Chr. entstanden sein, als die beiden Stiefsöhne von Kaiser Augustus „Drusus und Tiberius“ zur Besetzung dieser Region die Grenzen überschritten.Ausgangspunkt unserer Römerstraßen-Wanderung im Staatsforst Bayerdießen ist der neuzeitliche Grenzstein Nr. 631 östlich von Schellschwang, auf den Schellschwanger Wiesen am Waldrand zu finden (siehe Kartenausschnitt 1 mit Verlauf der Römerstraße von Hans Döppl, Stand 2003). Etwa 10 m nördlich davon tritt die Römerstraße von Rott her kommend in den Staatswald ein. Ab hier sind die Bäume für ein kurzes Wegstück mit einem blauen „J“ markiert. Es soll für Juno und Jupiter stehen, den Wegegöttern der Römer.Die Römerstraße führt zunächst vom Grenzstein Nr. 631 in Richtung Osten, macht dann aber nach Überquerung eines Forstwegs einen scharfen Knick nach Süd-Osten um den beginnenden Abhang für Ochsen- und Pferdefuhrwerke oder auch Reisewägen zu entschärfen. Nach diesem Knick ist der Straßenkörper im Bereich einer Tannengruppe gut sichtbar. Links und rechts der Straße sind immer wieder Materialgruben zu sehen, die zur Ausbesserung von Straßenschäden dienten. Am Ende des Abhangs ändert sich der Verlauf abermals und führt wieder in Richtung Osten. An dieser Stelle sind noch besonders gut erhaltene Überreste von ehemaligen Kohlenmeilern zu sehen, die bis ca. 1850 in Betrieb waren. Der weitere Verlauf führt nun durch Buchen-, Erlen- und Fichtenbestand bis die Straße etwa 150 m westlich des abgebrochenen Diensthauses wieder in einen nach Osten führenden Forstweg einmündet. Südlich des ehemaligen Diensthauses ist der Römerstraßenkörper auf einer Länge von ca. 50 m so gut sichtbar wie sonst nirgendwo im Bereich des Staatswaldes. Etwa 100 m danach stehen einige gut erhaltene Klostergrenzsteine mit den nach Süden weisenden Buchstaben „CW“ (Kloster Wessobrunn) und nach Norden weisenden Buchstaben „CD“ (Kloster Dießen) mit der Jahreszahl der Setzung: 1680. Der weitere Verlauf der Römerstraße ist nun nahezu identisch mit dem ebenfalls nach Osten führenden Forstweg. Diese auf der Hangkante verlaufende „Hochstraße“ war ehemals die Grenze zwischen den Klöstern Wessobrunn und Dießen und bildet heute noch die Landkreisgrenze zwischen Landsberg und Weilheim-Schongau.Der Straßenabschnitt im Bereich der Waldabteilung „Kohlgraben“ ist der geheimnisvollste Teil der Römerstraße im Bayerdießener Forst. Hier wurde nördlich des sog. „Ochsenfeldes“ an und auf der Hangkante eine Vielzahl an Funden aus den verschiedensten Epochen gemacht. Diese Funde umspannen die Periode 50-100 n. Chr. bis in die heutige Zeit. Es sind auch Grabungsspuren unbekannter Art und Zeit zu sehen, deren Entstehung nicht dokumentiert ist. Nach einer kurzen Wegstrecke in Richtung Osten geht der bisher bekannte Teil der Römerstraße vor Raisting etwa 500 m westlich von Stillern mit Erreichen des neuzeitlichen Grenzsteins Nr. 392 zu Ende. Der weitere Verlauf kann derzeit nur vermutet werden. Man nimmt an, dass die Römerstraße dem Tal der Rott folgend nach Nord-Osten nach Raisting verläuft.
2. Verlauf der Römerstraße Augsburg-Brenner im Bereich des Ammermoos-Übergangs zwischen St. Johann bei Raisting und Wielenbach:
Ausgangspunkt für diese Begehung ist das südlich von Raisting malerisch gelegene Kirchlein St. Johann am Rande des Schotterdeltas der Rott (siehe Kartenausschnitt 2 mit Verlauf der Römerstraße von Hans Döppl, Stand 2003). Geht man – an der Kirche vorbei – auf dem nach Süden führenden Sträßchen hinab, so kommt man nach etwa 500 m auf den quer verlaufenden Oberen Filzweg am Kleinen Filzgraben. Hier verläuft die Römerstraße von Norden kommend weiter Richtung Südosten auf die großen Fichten am Rande des Oberen Filzwäldchens zu, das man nach ca. 400 m erreicht. Dort, wo man auch die Reste alter Torfstiche findet, überschreitet die Trasse der Römerstraße den Hauptgraben, auch Grenzgraben genannt (Grenze Raisting-Wielenbach).Die Römerstraße verläuft nun schnurgerade in Richtung Ammerhöfe und zielt letztendlich auf den Jochberg am Walchensee zu, der besonders an Föhntagen gut zu sehen ist. Ihr Verlauf ist an den Bäumen mittels oranger Farbe markiert. Hier – durch Birkenwäldchen und über freie Filzwiesen wandernd – kann die Trasse auf mehreren hundert Metern mittels Spazier- bzw. Skistöcken (ohne Teller) „erstochert“ werden. Während man im Ammermoos am Trassenrand sehr schnell auf den harten Kies im Untergrund stößt, findet der Stock daneben keinen Widerstand und kann tief in den Moorboden gedrückt werden. Auch sind in den Maulwurfhaufen auf dem Damm der Römerstraße oft Schottersteine aus dem Untergrund zu sehen.