Die Römerstraßen an Ammersee und Lech
von Dr. Peter Kalus
Grundsätzlich muss man daran erinnern, dass die Römer ihre Straßen nicht neu „erfunden“ haben, sondern dass diese Straßen uralten Trassen von Handels- und Verkehrswegen folgten, die möglicherweise schon seit dem Neolithikum bestanden. Diese Altstraßen entstanden durch die jahrtausendelange Suche nach dem Idealweg, über die gangbarsten Pässe, die Stellen, wo Flüsse am leichtesten zu überqueren waren, umgingen Steilhänge, Schluchten und Moore. Die Römer haben diese Wege auf ihren Eroberungen erst benützt, dann ausgebaut, begradigt, befestigt, Brücken gebaut, Wegzeichen gesetzt, militärisch gesichert, Herbergen und Wechselstationen angelegt und damit ein so hervorragendes Verkehrsnetz geschaffen, dass es die Römerzeit um viele Jahrhunderte überdauert hat. Vielfach führen moderne Straßen noch auf der Trasse der Römerstraßen.
Die Via Claudia Augusta[1]
Diese erste und lange Zeit die wichtigste Straßenverbindung – und auch die einzige deren Namen wir kennen – zwischen Italien und dem nördlichen Alpenvorland wurde unter Kaiser Claudius, dem Sohn des Eroberers Drusus, angelegt. Der hatte diese Route während seines Alpenfeldzugs im Jahr 15 v. Chr. mit seinen Truppen genommen. Der Name ist bekannt, da Meilensteine z. B. in Rabland/Südtirol gefunden wurden. Die Straße begann in der Handelsstadt Altinum an der Adria nahe dem späteren Venedig, führte durchs Piavetal bis Tridentum (Trient), vereinigt sich dort mit einer von Verona und von weiter südlich kommenden Straße, folgte dem Lauf der Etsch über Bauzanum (Bozen) bzw. Pons Drusi bis zum Reschenpass. Nach dessen Überquerung führte sie entlang des Inn bis Imst, dann über den Fernpass ins Außerfern und begleitete den Lech zuerst auf dem rechten und ab dem Lechfall an seinem linken, westlichen Ufer über Foetibus (Füssen), Abodiacum (Epfach), Augusta Vindelicum (Augsburg) bis zur Mündung in die Donau bei Submuntorium (Burghöfe). Der antike Straßenverlauf ist an einigen Stellen noch gut erkennbar. Den Lech muss man sich wie alle Alpenflüsse als sehr unberechenbar in der Wasserführung vorstellen. Das eigentliche Flußtal war ein weites kiesbedecktes und z. T. auch sumpfiges Gelände, innerhalb dessen das Wasser mit häufigen Laufänderungen seinen Weg suchte. Die Straße legte man daher auf der Mittelterrasse an.
[1] Nach Czysz in Czysz u. a. S.528 ff
Reste des Straßendammes im
trockengefallenen Forggensee[2]
Walddamm bei Schongau
Hohlweg bei Dessau, Gemeinde Burggen
Walddamm bei Asch
[2] Alle Bilder oben von Wilhelm, Karl, Ludwig, www.kaluwi.de
Peutingerkarte
Die Römerstraße von Verona über den Brennerpass, den Zirler Berg und Raisting nach Augsburg (moderne Bezeichnung „Via Raetia“)
Bauzeit und Bedeutung
Die Straße wurde unter Kaiser Septimus Severus (193-211) und seinem Sohn Caracalla (211-217) gebaut, folgte aber mit Sicherheit wie die Via Claudia Augusta einer schon seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden bestehenden Verkehrsverbindung von Norditalien über die Alpen in den Donauraum und passte sich zumindest teilweise deren Trassenführung an. Der späte Ausbau der Straße verwundert, da doch der Alpen- und Voralpenraum seit 15 v. Chr. unter römischer Herrschaft stand und uns heute die Brennertraße als kürzester und bequemster Verkehrsweg von und nach Italien geläufig ist. Die wichtigste Römerstraße über die Alpen in die Provinz Raetien blieb jedoch Via Claudia Augusta, Wenn man heute mit der Bahn, auf der Brennerstraße oder der Autobahn nach Südtirol fährt, erkennt man auch die Ursache dafür: Das Tal der Eisack zwischen Bozen und Brixen war bis zum modernen Straßenbau unpassierbar und ein Ausweichen über die seitlichen Bergflanken wegen der beidseitig steil einmündenden Schluchten nur in großer Höhe möglich. So musste die Straße von Bozen über den Ritten bis auf über 1000 m Seehöhe geführt werden und erreichte erst vor Brixen wieder die Talsohle, ein ziemlich mühsamer und zeitraubender Umweg also. Das blieb so, bis erst im 14. Jahrhundert ein Saumweg und im 15. Jahrhundert ein Karrenweg in die Felsen gesprengt wurde.
So kann man diese Römerstraße als eine eher zweitrangige Verkehrsverbindung bezeichnen, zumal sie von den Römern nicht übermäßig lange benützt werden konnte, da nach dem Limesfall im Jahr 260 die Provinz Raetien zum unsicheren Grenzland wurde und durch Kriegsereignisse und freiwilligen Abzug von Bewohnern teilweise verödete.
Verlauf der Strasse
Über Vipitenum (Sterzing), den Brennerpass und Veldidena (Innsbruck-Wilten) erreichte die Straße Teriolis (Zirl) und über den Zirler Berg Scarbia (Scharnitz), Parthanum (Partenkirchen) und führte über Coveliacae (Moosberg bei Murnau) und Urusa (Raisting) in Richtung Augsburg. Etwa bei Egling an der Paar vereinigte sie sich mit der Straße, die von Iuvavum (Salzburg) über Pons Aeni (Rosenheim) und Bratananium (Gauting) nach Augusta führte.
In unserer Gegend ist der Straßenverlauf einigermaßen gesichert, Von Raisting führte die Trasse etwa wie die Staatsstrasse 2055 nach Norden, bei der leichten Rechtskurve nach Verlassen des Waldstücks vor Utting führte sie -heute noch sichtbar- geradeaus weiter, westlich des Aussiedlerhofes (Streicherhof) vorbei und überwand den Graben des Hardtbachs in einer sichtbaren S-Kurve und durchquerte auf einem bis heute
erhaltenen Damm ein Waldstück. Westlich des Uttinger Schützenheims musste der Uttinger Mühlbach entweder mittels Brücke oder Furt überwunden werden. Jenseits der Landsberger Straße verlief sie parallel zum heutigen Feldweg in Richtung Achselschwang und weiter nach Steinebach. In Windach benützte sie eine der drei Rampen, die vom Windacher Berg zur Windach hinunterführen, überquerte diese und ging weiter über Eresing und Geltendorf in Richtung Augsburg.
Zwischen Wielenbach und Raisting[3]
[3] Luftbild bei Kaluwi, a.a.o.
Hohlweg südlich von Utting[4]
Dammrest beim Streicherhof
Kurve zum Hardtbach
Walddamm bei Utting
[4] Eigene Aufnahmen
Man kann nur vermuten, was die Planer dazu bewogen hat, die Trasse durch das relativ zerklüftete Gelände südwestlich von Utting zu wählen. War es das Ziel möglichst geradlinig Augsburg anzusteuern? Andererseits bietet sich die Überquerung des Uttinger Mühlbaches wegen seiner steilen Ufer an dieser Stelle besonders an. Auch die Windach ist, oder war bis zu ihrer Regulierung, ein sehr unberechenbares Flüsschen, das bei jedem Hochwasser zu einer Verlegung des Flussbettes in seinem Unterlauf ab Windach neigte. Dort bot sich auch deshalb eine Überquerung des Wasserlaufs am Ausgang der Schlucht und vor den sog. Schlechtwiesen an.
Die Römerstraße Bregenz-Gauting-Salzburg
Eine dritte Römerstraße durchquerte die Ammersee-Lech-Region in Ost-West-Richtung. Wann genau sie ausgebaut wurde ist nicht bekannt; Dietz nimmt jedoch an, dass sie bald nach der Via Claudia Augusta entstand[5], also wohl nach der Mitte des ersten Jahrhunderts. Sie führte von Juvavum (Salzburg) über Pons Aeni (Rosenheim), Bratananium (Gauting), zwischen Starnberger und Ammersee hindurch, kreuzte die Via Raetia in Urusa (Raisting) und die Via Claudia Augusta in Abodiacum (Epfach) und endete über Cambodunum (Kempten) am Bodensee in Brigantium (Bregenz). Auch von ihr sind in unserer Region noch sichtbare Spuren erhalten.
Aus dem Lechtal hinaufführende Rampe bei Hirschau[6]
[5] Dietz in Czysz u. a. S. 50
[6] Dieses Foto und die beiden folgenden von Wilhelm (Kaluwi)
Zwischen Reichling und Rott
Hohlweg bei Stillern
Zustand der Römerstraßen
Üblicherweise waren römische Fernstrassen im ebenen Gelände fünf bis sieben Meter ( 20 pedes = 20 x 29,6 cm ) breit, verschmälerten sich jedoch in schwierigen Lagen auf weniger als drei Meter (= 8 pedes) mit Ausweichstellen, wie wir es im o. a. Waldstück westlich von Utting vorfinden. Bei der Konstruktionsbreite mag auch – wie heute – die Bedeutung der Straße und die Verkehrsdichte eine Rolle gespielt haben. Beiderseits der gewölbten Fahrbahn befand sich ein Straßengraben. Der Unterbau bestand aus groben Steinen, darüber kamen zwei Deckschichten zuerst aus grobem, dann aus feinem Kies. Dadurch entstand die typische Form eines flachen Dammes. Das Material stammte aus der Gegend. Manche Gruben, aus denen Baumaterial entnommen wurde, sind noch erhalten. Bäche und Flüsse wurden in der Regel mittels Holzbrücken überwunden, deren Reste äusserst selten (z. B. in Kempten oder bei Epfach) erhalten sind.
Mansio bei Abusina (Eining)7
Komfort und Sicherheit
Für die Sicherheit der Straßen sorgten meist Legionäre im Ruhestand mit ihrem Personal, die häufig auch die Straßen- und Wechselstationen, die „Mansiones“ und „Mutationes“ betrieben, die im Abstand von etwa einer Tagesetappe angelegt waren. Eine Mansio befand sich mit Sicherheit in Urusa-Raisting, da dort die Strasse von Bratananium-Gauting nach Abodiacum-Epfach und weiter nach Cambodunum-Kempten kreuzte. Bei Ausgrabungen 1985 fand man die Überreste von massiv gebauten mit Hypokausten-Heizung ausgestatteten Gebäuden, die auf eine komfortable und stattliche Herberge schließen lassen. Andere werden wohl nur aus Holzgebäuden bestanden haben, die nicht mehr nachweisbar sind. Für die Versorgung dieser Mansiones dienten die nahen „Villae Rusticae“, die über Nebenstrassen (viae vicinales bzw. viae privatae) erreichbar waren. Solche Villae bestanden nachweislich z. B. in Weilheim, Schondorf und Weil.
Der Verkehr spielte sich zu Fuß, zu Pferd bzw. Maultier oder mit Ochsen- und Pferdekarren ab. Für einen relativ komfortablen Personenverkehr benützte man per Achsschemel gelenkte und gefederte vierrädrige Karren mit geschlossenem Aufbau.
Raeda[8]
Literatur:
Czysz, Dietz, Fischer, Kellner (Hrsg): Die Römer in Bayern, Stuttgart 1995
Völk, Carolin (Hrsg): Auf Spuren der Römer vom Ammersee nach Verona,
Lindenberg 2015
www.kaluwi.de: Via Raetia (Bild- und Kartenmaterial)
[7] www, anticefan
[8] Internet; Isargeschichten